MEHRWERT
Dagmar Travner

aus: "morgen", Kulturzeitschrift aus Niederösterreich
Ausgabe 01/2003

 

Über halbierte Blätter gleiten dynamische Kohlestriche, ein breiter Wirbel bewegt sich über die horizontal geteilte Leinwand – „Moment:Wandel“. Facettenartiges Rot bildet das Pendant über der grau geschatteten, unteren Bildhälfte; die Zeichnung ist dynamisch über beide Hälften ausgebreitet.(…) Die willkürliche Trennung bewirkt eine Zäsur – zwei Räume, zwei Zeiten. Eine Bewegung über Grenzen hinweg? Ein Wechsel in einen anderen Zustand, eine andere Dimension, eine andere Stimmung? Durch die geteilte Fläche ergibt sich eine Spaltung des Motivs, das sich ergänzt und gleichzeitig zwei Seiten eines Ganzen verdeutlicht.(…) „Ritual/Kohle auf Leinwand“: Eine aus Kohlestaub angedeutete Menschengestalt tritt dreifach in einem Triptychon schemenhaft hervor, wobei jeweils einzelne Extremitäten zeichnerisch hervorgehoben sind. Eine Bewegungsanalyse, die das Ritual der langsamen Annäherung versinnbildlicht.(…) Sind Thumas Polyptychen mehrfache Doppelbilder oder gar „Zeitbilder“? Zwei, drei, mehrere Bilder in Serie können vielfache Perspektiven aufzeigen, der Zweidimensionalität der Leinwand eine zusätzliche hinzufügen: Raum, Zeit oder Bewegung. Doppelbilder, die die Perspektive des Augenpaares symbolisieren oder auf die Veränderung eines Objektes in der Zeit hinweisen. Bewegung wiederum ist das Produkt von Weg mal Zeit, und kann daher als Spielart der Bilder gesehen werden. Beim film spricht man von „bewegten“ Bildern, obwohl er nichts anderes als eine Abfolge von Einzelbildern ist; Thuma nimmt quasi aus solch einem „Filmstreifen“ in einigem Abstand liegende einzelne Filmkader heraus und konfrontiert sie miteinander. Die Teile eines Doppelbildes, also ein Nebeneinander zweier Bilder, treten zueinander in Beziehung, schaffen sich dabei gegenseitig einen Kontext, beeinflussen so die Sichtweise.

In der Kunst ist das Triptychon (etwa als Altarbild) sehr verbreitet: Mehrere Aspekte oder Teile einer Geschichte werden einander gegenübergestellt und schaffen einen Mehrwert im daraus resultierenden Ganzen – zu der eines jeden einzelnen Bildes gesellt sich eine übergreifende Geschichte, der Zusammenhang, hinzu. Sind sich die beiden Bilder wie bei Thuma sehr ähnlich, unterscheiden sie sich nur durch geringste Abweichungen, so drängt sich eine zusätzliche Lesart auf – denn hier ergibt erst die Differenz die wesentliche Interpretation.